
Pilgern – Tipps zur Vorbereitung
Pilgern oder Wandern?
Von der Idee zum Weg ... wo starten? bis wo? Kann ich das? Was nehme ich mit?
Gibt es einen Unterschied zwischen Pilgern und Wandern?
Grundsätzlich sind sich Pilgern und Wandern sehr ähnlich: es geht um Bewegung, körperliche Herausforderung, Erleben in der Natur, Ruhe finden und Kraft tanken, sich in einem grösseren Ganzen aufgehoben fühlen. Gleichwohl lassen sich feine Unterschiede benennen.
Gemäss klassischer Definition handelt es ich beim Pilgern um den Weg, den man zu einem besonderen Ort zurücklegt. Heutzutage steht jedoch beim Pilgern – etwa auf dem Jakobsweg – nicht nur das Ziel als vielmehr auch der Weg im Zentrum.
Beim Pilgern geht es aber nebst dem äusseren Gehen dieses Weges auch um einen inneren Prozess. Indem der Weg aufmerksam begangen wird, beginnt die Umgebung zu einem selbst und zu eigenen Lebensthemen zu sprechen. Pilgern hat deshalb auch einen direkten Bezug zur eigenen Spiritualität. Wer sich auf einen Pilgerweg macht, tut dies oft aus einem existentiellen Grund bzw. einer Motivation heraus. Und das ist wohl der wesentliche Unterschied zum Wandern.
Zählt nur längeres Pilgern oder kann ich auch einzelne Pilgertage gestalten?
Für eine Pilgerreise von der Schweiz aus nach Santiago oder Rom sind einige Wandermonate nötig. Einige Pilgernde leisten sich eine solche Auszeit, gerade weil sie sich auf einen längeren äusseren und auch inneren Weg einlassen möchten. Für andere ist das aus beruflichen oder finanziellen Gründen nicht denkbar oder sie trauen sich diese lange körperliche Anstrengung nicht ohne weiteres zu. Pilgern heisst aber nicht zwingend, monatelang unterwegs zu sein. Viele Pilger nehmen sich jährlich ein Teilstück vor. Andere sind öfter mal einige oder auch nur einen Tag lang pilgernd unterwegs. Besonders für den Einstieg sind kürzere Pilgeretappen oder einzelne Tage in einer begleiteten Gruppe zu empfehlen.
Soll ich einem klassischen, ausgewiesenen Pilgerweg folgen?
Grundsätzlich ist das Pilgern nicht von einem bestimmten Weg abhängig, sondern ist vielmehr mit der inneren Motivation und einer sich daraus ergebenden Art des Gehens verbunden. Gleichwohl kann es einige Vorteile haben, einem ausgewiesenen und ausgeschilderten Pilgerweg zu folgen.
Entstanden sind die Pilgerwege einst, indem Pilgernde von zu Hause aufgebrochen sind und einen Weg bis zu ihrem Pilgerziel, einem heiligen Ort, gesucht haben. Zum eigenen Schutz haben sie bestehende Handelswege genutzt oder Wege gesucht, auf denen auch andere Reisende unterwegs waren. So reicherten sich die Pilgerwege mit kulturellen Traditionen und den Erfahrungen der zahlreichen Menschen an, welche sie immer wieder begangen haben.
Diese historische Kontinuität, das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Pilgerschar aus Vergangenheit und Zukunft, kann eine andere Kraft entfalten, als wenn man allein auf einem anderen Weg pilgert. Ein Vorteil liegt weiter darin, dass man auf ausgeschilderten Pilgerwegen nicht ständig auf die Orientierung achten muss und sich deshalb einfacher auf die Wahrnehmung der Umgebung und auf den inneren Weg einlassen kann. Gerade dann, wenn der markierte Weg nicht auf den ersten Blick attraktiv ist (Vorstädte, Hartbelagstrasse), fordert er auch zum Einüben von etwas innerer Überwindung, Durchhaltekraft, Vertrauen und Hingabe heraus.
Was, wenn Pilgern mich an meine Grenzen bringt?
Gerade längeres Pilgern kann einen an körperliche, komfortmässige oder psychische Belastungs-grenzen bringen. Das ist nicht zu unterschätzen, weshalb die Gemeinschaft anderer Pilgernder auf dem Weg umso wichtiger ist.
Andererseits gehört es gerade zum Wesen des Pilgerns, sich ein Stück weit aus der eigenen Komfortzone hinaus zu bewegen, ungewohnte Herausforderungen anzunehmen, seine Grenzen zu erweitern, so dass innere Bewegung und Entwicklung geschehen kann. Eine gewisse Beharrlichkeit und eine Prise Durchhaltevermögen sind deshalb sicher hilfreich. Man nimmt sich sonst womöglich etwas, wenn man zu früh aufgibt und seine eigenen Grenzen zu eng fasst – nämlich die Chance, etwas Neues über sich selbst zu erfahren. Die überraschende und beglückende Erfahrung, doch mehr zu schaffen, als man sich selbst zugetraut hätte.
Worauf ist in den ersten Pilgertagen besonders zu achten?
Der Körper braucht etwas Zeit, um sich an die körperlichen Herausforderungen des Pilgerns zu gewöhnen. Es ist darum ratsam, in den ersten Tagen nicht an die körperlichen Grenzen zu gehen, sich vielmehr Zeit zu lassen, früh am Etappenort anzukommen und bis zum nächsten Morgen ausreichend auszuruhen.
Das A und O für eine gelingende Startphase ist es, den Wandertag durch Pausen gut zu strukturieren, regelmässige Pausen einzulegen und dabei genügend zu trinken. Auch die achtsame, sorgfältige Zuwendung zu den eigenen Füssen und Beinen (Fussmassage, Fusscreme) tut gut. So lässt sich wahrnehmen, ob man den eigenen Laufrhythmus gefunden hat, die Schuhe richtig geschnürt waren und der Körper in angemessenem Mass gefordert war.
Muss ich mich beim Pilgern mit Themen meines Lebens beschäftigen?
Recht viele Pilgernde befinden sich in einer besonderen persönlichen Lebensphase, die sie herausfordert, Fragen aufwirft, nach Sinn und Orientierung suchen lässt. Diese Lebenssituation und die Suche nach neuen Perspektiven ist Teil ihrer Motivation, sich auf den Weg zu machen. Ihre aktuellen Lebensthemen begleiten sie auch während der Zeit des Gehens.
Das muss jedoch nicht zwingend so sein. Pilgern kann man auch einfach aus Neugier, Abenteuerlust, Freude an der Bewegung, an der Natur, aus dem Bedürfnis nach einer Auszeit oder danach, einmal etwas ganz Neues und Anderes zu erleben. Sich die Beschäftigung mit einem besonderen Thema vorzunehmen, ist nicht unbedingt nötig. Gleichwohl wird es unbeabsichtigt oft von selbst passieren: Pilgern bringt etwas in Bewegung, durch die investierte Zeit, die Bewegung des Körpers, die Begegnungen mit Menschen, Orten und der Kultur auf dem Weg, durch die Fremde und das Wagnis, eigene Grenzen auszuloten und seine Komfortzone zu verlassen.
Wird Pilgern mich und mein Leben verändern?
Das lässt sich sicher nicht generell sagen. Pilgern kann aber je nach aktueller Lebenssituation der pilgernden Person eine existentielle Erfahrung sein, welche einiges im eigenen Leben in Bewegung bringt, im Innern Schlummerndes aktiviert und Anstösse zu Veränderungen gibt. Der äussere Weg setzt eben auch innere Prozesse in Gang. Pilgern wird vermutlich also etwas verändern – vielleicht wird man ein wenig mehr zu dem Menschen, der man innerlich eigentlich ist.
Die Zeit nach der Rückkehr von einer längeren Pilgerreise ist darum nicht zu unterschätzen. Vieles Gedachte, Empfundene, Angestossene will noch weiter bedacht, Entwicklungen genauer geklärt und Entscheidungen möglicherweise umgesetzt werden. Zeit und Energie sind dazu nötig – und vielleicht auch ein/e Gesprächspartner/in, welche/r ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Der Kontakt zu einer Gruppe zurückgekehrter Pilger/innen könnte sich dafür anbieten. Vielleicht auch in unserem Verein.